The People Factor Podcast | Episode #102

Sickness rates, sickness fluctuation & co with Viktoria Lindner

Viktoria Lindner hat Klinische Psychologie studiert und einen Masterabschluss in Amsterdam erworben. Nach zwei Jahren in der Unternehmensberatung gründete sie 2018 ihr erstes Unternehmen, D!MPACT, und 2021 ihr zweites, Bloom. Als ambitionierte...

Listen the episode on your favourite platform

Contributors
Thomas Kohler

Founder & CEO

A Portrait of Viktoria Lindner, CEO & Co-founder of Bloom. She is guest at the 102nd episode of Thomas Kohler's The People Factor Podcast.
Viktoria Lindner

CEO & Co-Founder

Subscribe to our podcast
We care about your data in our privacy policy
Viktoria Lindner hat Klinische Psychologie studiert und einen Masterabschluss in Amsterdam erworben. Nach zwei Jahren in der Unternehmensberatung gründete sie 2018 ihr erstes Unternehmen, D!MPACT, und 2021 ihr zweites, Bloom. Als ambitionierte Unternehmerin und kommerzielle Mitgründerin verbindet sie fundiertes Wissen in B2B-Vertrieb und Go-to-Market-Strategien mit ihrer Leidenschaft für datenbasierte Entscheidungen.
Wir sprachen über:
  • Viktoria erklärt, wie eine Reduktion der Krankenquote um 1 % ein Unternehmen mit 1000 Mitarbeitenden jährlich eine Million Euro einspart
  • Die Hauptfaktoren für hohe Krankenquoten in der Pflegebranche: Demografie, Fachkräftemangel und Schichtsysteme
  • Vorteile und Herausforderungen von VC-finanzierten vs. Bootstrapped-Startups aus Viktorias Gründerperspektive

Thomas Kohler:
Heutiger Gast, Viktoria Lindner, CEO von Bloom.

Ja, Wahnsinn. Das ist ja auch ein Problem, das man jetzt sofort hat, wenn das passiert und eintritt. Das heißt, der Pain ist ja auch recht groß. Hast du auch Benchmark-Zahlen zu Kosten, die durch Krankheitsausfälle in verschiedenen Branchen generiert werden? Hast du da zum Beispiel pro Jahr für ein Unternehmen oder pro Mitarbeiter?

Viktoria Lindner:
Ich finde, so leicht verdauliche Zahlen sind immer am einfachsten zu kommunizieren. Letzten Endes ist es natürlich komplett unterschiedlich, aber wir haben mal ausgerechnet. Letzten Endes angenommen, man hat ein Unternehmen mit 1000 Mitarbeitern, nur ein Prozent mehr Krankenquote, also sagen wir mal von 7 auf 8 Prozent, würde für dieses Unternehmen eine Million Euro mehr Kosten im Jahr bedeuten.

Thomas Kohler:
Viktoria hat schon mehrere Firmen gegründet, einmal eigenfinanziert, jetzt über Angels und VC finanziert und löst das Problem, die Krankheitsquote im Blue-Collar-Bereich zu reduzieren, weil dort die Kosten direkt spürbar sind, wenn Personen ausfallen. Wenn ein Busfahrer zum Beispiel nicht arbeitet oder eine Pflegekraft, dann spürt man das sofort. Die sind entweder produktiv, wenn sie arbeiten oder halt nicht. Und wir haben sehr viel über das Thema Krankheitsquote diskutiert und auch über die Gründungsgeschichte beziehungsweise auch über die Unterschiede zwischen einer Bootstrapped und Venture-Backed Firma im HR-Tech-Bereich. Hi Viktoria, freut mich dich heute hier zu haben. Ich sehe immer wieder deine LinkedIn-Beiträge und die sind sehr konkret und für mich sehr spannend, vor allem, dass du so mit Zahlen rumwirfst und die Zahlen aber auch einen relevanten Bereich, zum Beispiel Krankheit oder Abwesenheit, betreffen, wo man jetzt nicht so viele Zahlen dazu sieht aus meiner Sicht. Heute würde ich gerne mit dir ein bisschen drüber reden, aber vielleicht starten wir mal mit einer kleinen Intro zu dir, was du vorher vielleicht auch gemacht hast, weil ich finde das super relevant zu dem, was du jetzt machst und was für deinen Job to be done, was du gerade mit Bloom machst und was du als Vision vorhast.

Viktoria Lindner:
Ja, vielen Dank, Thomas. Freut mich, dass du mich angeschrieben hast. Das ist immer ganz witzig. Man sieht sich ja dann doch irgendwie oder begegnet sich durch LinkedIn-Content dann doch häufiger und super cool, dass wir es geschafft haben, heute mal uns richtig kennenzulernen. Ja, vielleicht ganz kurz zu mir. Ich bin Viktoria, bin ursprünglich aus Berlin. Eigentlich habe ich mit meiner Wissenschaft angefangen. Ich habe klinische Psychologie und Pharma mal studiert, bin dann aber so ein bisschen von Wegen abgekommen, bin dann damals direkt in eine Beratung gegangen, habe da auch quasi den Bereich HR kennengelernt durch die Beratung und habe mich dann aber 2017 entschieden zu gründen, das erste Mal im Recruiting-Bereich.

Wir haben gerade ganz kurz schon im Vorgespräch darüber geredet, was ähnliches wie du auch machst. Genau, in 2017 schon damit angefangen, bisschen anderer Ansatz auf Recruiting gehabt mit einem Marktplatzmodell. Das Ganze damals gebootstrapped, ist ganz witzig, ich weiß gar nicht warum. Ich glaube tatsächlich, weil ich gar nicht wusste, dass es so einen VC-Markt überhaupt gibt und dass es da irgendjemanden gibt, der für deine Idee Geld gibt. Also das war auch relativ viel Neuland für mich. Deswegen habe ich einfach aus dem, was ich hatte, angefangen zu bootstrappen. Ziemlich gut funktioniert einige Jahre lang. Hab da ein paar ganz gute, erfolgreiche Jahre auch mitgenommen, so zwischen 18 und 21.

Und hab dann aber auch immer mehr gemerkt, wie ich eigentlich richtig Lust habe auf Software generell, also weniger so ein Agentur Business, sondern mehr in die Richtung Software Gründung, dass mich das sehr fasziniert. Und gleichzeitig habe ich aber auch natürlich durch die Erfahrung auf den Kundenprojekten damals schon im HR-Bereich so mitbekommen, wie das Thema Krankenkode und Fehlzeiten und auch damals natürlich Burnout und Mental Health immer mehr präsent werden. Und habe mich dann entschieden, Bloom zu gründen, jetzt vor drei Jahren. Und wir haben uns ein bisschen zur Mission gemacht, das Thema, ja, Investitionen in die Gesundheit der Mitarbeitenden zu einem P&L-relevanten Business Case zu machen. Und das funktioniert nur, wenn es letzten Endes auch einen KPI betrifft, den du versuchst zu optimieren, der eben vorstandsrelevant und P&L relevant ist. Und das ist bei uns in dem Fall die Vielzeiten- und Abwesenheitsquote, die man ja gerade ziemlich stark in den Nachrichten mitbekommt, extrem hoch geht in Deutschland vor allem, aber nicht nur Deutschland, generell in Europa. Und es inzwischen wirklich beim Vorstand angekommen ist, dass da irgendwas gemacht werden muss, weil es ist, glaube ich, relativ einfach zu verstehen, wenn dir ein Fünftel der Belegschaft jeden Tag fehlt, kannst du natürlich auch nicht mehr deine Produktionsziele erreichen. Und das ist genau der interessante KPI, auf den wir versuchen einzuzahlen, indem wir den Unternehmen eben zeigen, dass es sich doch ROI-mäßig lohnt, in Mitarbeitersgesundheit zu investieren.

Da aber auch gar nicht mal so klassisch nur, sei es jetzt irgendwie Sportangebote oder ja, Prävenzivangebote, sondern auch wirklich solche Themen wie Schichtsysteme verbessern, dass weniger Ausfallquoten passieren, ja. Arbeitsbedingungen verbessern, Niederschippthemen besser angehen, damit weniger Mitarbeiter ausfallen. Und das sind eben auch so Dinge, die man im ersten Moment nicht als Gesundheitsfaktoren sieht, die aber einfach super stark auf die Vierzeitenquote einzahlen.

Thomas Kohler:
Da habe ich einige Fragen jetzt dazu. Super interessant. Auch sehr gut aufbereitet auf der Website. Warum Bloom? Minus 15 Prozent Senkung der Krankheitsquote im ersten Jahr. 2140 Euro durchschnittliche Reduktion der Krankheitskosten pro Teammitglied und einen 4 zu 1 ROI auf euer Produkt oder auf euer Use Case.

Viktoria Lindner:
Genau, auf das. Also bei uns ist es relativ einfach nachweisbar. Du zahlst so und so viel in uns und so und so viel in die Maßnahmen, wie wir sagen, die du umsetzen sollst. Und daraus ergibt sich dann minus 1%, minus 2% an Krankenquote. Und daraus kannst du dann relativ leicht ausrechnen, was dir das an Kosten gespart hat. Weil die Personen sind ja komplett ausgefallen. Lohnfortzahlungsmisten wären sonst angefallen und du hättest die Person auch noch ersetzen müssen. Genau.

Thomas Kohler:
Ja, Wahnsinn. Und das ist ja auch ein Problem, was man ja jetzt sofort hat, wenn das passiert und eintritt. Das heißt, der Pain ist ja auch recht groß. Hast du auch Benchmark-Zahlen zu kosten, die durch Krankheitsausfälle in verschiedenen Branchen generiert werden? Hast du da zum Beispiel pro Jahr für ein Unternehmen oder pro Mitarbeiter?

Viktoria Lindner:
Ich finde, so leicht verdauliche Zahlen sind immer am einfachsten zu kommunizieren. Letzten Endes ist es natürlich komplett unterschiedlich, aber wir haben mal ausgerechnet. Letzten Endes angenommen, man hat ein Unternehmen mit 1000 Mitarbeitern, nur 1% mehr Krankenquote, also sagen wir mal von 7 auf 8%, würde für dieses Unternehmen eine Million Euro Mehrkosten im Jahr bedeuten. Also nur 1% mehr Krankheit ist für ein Unternehmen mit 1000 Festangestellten ungefähr eine Million mehr Kosten. Durch Lohnfortzahlung, weil du musst natürlich die Krankheit trotzdem bezahlen, sozusagen aus Payroll-Sicht. Du musst die Person ersetzen, also du musst ja trotzdem die Kapazität gewähren, indem du jemanden neuen einstellst, der dann diese Leistung sozusagen ersetzt. Und so kommt man dann relativ schnell nur mit einem Prozent auf eine Million.

Thomas Kohler:
Aber ein Prozent Krankheit ist ja jetzt auch nicht die Realität, oder? Also ich glaube, wenn man jetzt so in die Arbeiter, Arbeitnehmerinnenberufe reingeht, die sind ja wahrscheinlich nicht nur ein Prozent im Jahr krank, oder? Von der Arbeitszeit.

Viktoria Lindner:
Nein, nein, ich meine auch Steigerung.

Thomas Kohler:
Das wäre nur eine Steigerung. Aber wenn man jetzt auf die Gesamtkosten zum Beispiel gehen würde, hast du da auch Zahlen oder Einblicke?

Viktoria Lindner:
Natürlich, aber du wirst Krankheiten nie verhindern können. Es gibt ja so eine Art Deckel. Also es gibt eine ganz normale Krankheit, die ist im Knowledge-Worker-Bereich in der Regel so bei zwei bis drei Prozent. Also Leute, die am Computer arbeiten zum Beispiel oder im Büro arbeiten. Da ist es ganz normal, dass du 2 bis 3 Prozent Krankenquote im Jahr hast, weil die Menschen natürlich immer krank sind.

Thomas Kohler:
Was hat man so Arbeitstage im Jahr? So 220? Circa 240 Werktage oder wie viel sind das?

Viktoria Lindner:
Ja, ich glaube, man rechnet ja FTE-Planung in der Regel 21 pro Monat. Ja, ungefähr. Und in der Frontline-Worker-Industrie muss man auch sagen, es ist historisch gesehen immer bei eher fünf, sechs Prozent. Ja, also es ist ganz normal, dass Mitarbeiter, die körperlich hart arbeiten, die draußen arbeiten, die Schichtsysteme haben, mehr krank sind. Zum Beispiel Pflege und Pädagogik ist immer schon viel höher als andere Branchen und Industrien. Da ist es schon immer so gewesen, dass du eher bei 10 Prozent oder so liegst. Aber, und das ist ja der Teil, wo wir ins Spiel kommen, und den schauen wir uns an, die sind gerade nicht bei 10 Prozent, Die sind gerade bei 20 Prozent.

Thomas Kohler:
Wahnsinn, das heißt, die sind zwei Monate im Jahr einfach krank.

Richtig. Genau, das heißt das. Und in diesem Teil schauen wir uns eben auch an, diese überdurchschnittlich hohe Krankenquote.

Thomas Kohler:
Und was sind so die, sagen wir mal, jetzt gehen wir in die Pflege. Was sind dort die drei Hauptfaktoren, die dann vielleicht zur Krankheit führen und wie man sie reduzieren kann?

Viktoria Lindner:
Ganz vieles Themen. Demografie ist ein Riesenthema. Du hast in diesen Bereichen Pflege extrem hohen Fachkräftemangel. Sehr viele Mitarbeitende, die in Rente gehen demnächst und dort einfach keine Nachwuchsleute zu finden sind. Was natürlich dazu führt, dass teilweise auch ältere Mitarbeitende Doppelschichten machen müssen, weil einfach das Personal fehlt. Also generell dieses Thema Fachkräftemangel, Demografiewandel spielt absolut damit rein. Dann ist es einfach eine körperlich extrem harte Arbeit. Du hast einfach wirklich Leute zu heben.

Du hast ja auch das Thema Exoskelette, die in den Bereichen viel eingeführt werden, weil du viel auch Rückenarbeit hast in dem Bereich. Teilweise eben auch Schichtsysteme, dass du auch nachts Leute betreuen musst und nachts im Krankenhaus zum Beispiel auch dann eben Schichten hast, spielt auf jeden Fall mit rein. Aber auch, muss man auch sagen, auch eine Komponente von Unzufriedenheit. Ja, also dieser Beruf wird auch sehr wenig gewertschätzt heutzutage noch. Die Gehälter sind nicht extrem hoch, was auch dazu führt, dass eine gewisse Unzufriedenheit herrscht, die natürlich auch nochmal in Krankenquote mit rein zahlt. Also ich glaube, diese verschiedensten Faktoren spielen alle absolut da mit rein.

Thomas Kohler:
Und wie löst ihr das dann? Weil ihr könnt jetzt nicht mehr Pflegepersonal hirnen, oder? Das geht ja jetzt nicht. Das wäre jetzt nicht Teil der Lösung.

Viktoria Lindner:
Genau, richtig. Wir schauen uns vor allem eben in diesen Bereichen Dinge an, die änderbar sind. Also was wir, wie wir selber immer sagen, was wir nicht ändern können, wir können jetzt nicht Probit aus der Welt schaffen, weil Leute immer mal wieder irgendwie ausfallen werden, weil sie einen Infekt haben zum Beispiel. Aber dieser Teil, dieser überdurchschnittlich hohe Teil ist hauptsächlich zusammengesetzt aus Faktoren, die man ändern kann. Das sind Organisationsfaktoren wie schlechte Schichtsysteme, Zu viele Überstunden der Mitarbeiter, teilweise nicht ergonomisch gut ausgestattete Arbeitsplätze, dass du sozusagen auch noch mal stärker BGM und Arbeitsmedizinische Maßnahmen umsetzen kannst. Und genau diese Faktoren schauen wir uns eben an. Unzufriedenheit, ob eine Person zufrieden ist mit ihrem Führungskraft, ob es irgendwelche merkwürdigen Policies gab, die eher dazu geführt haben, dass die Unzufriedenheit steigt. Genau diese Dinge schauen wir uns an.

Und diese Dinge sind auch aus meiner Sicht Dinge, die Unternehmen ändern können. Ja, weil es ist ganz interessant, gestern erst wieder gelesen, eine Führungskraft nimmt bekanntlich seine Krankenquote oder ihre Krankenquote mit. Und das stimmt auch so. Also die Krankenquote ist auch stark abhängig von der Führungskraft, je nachdem, was eben für einen Leadership-Stil oder Führungsstil durchgesetzt wurde. Und genau diese Dinge kann man eben ändern im Unternehmen.

Thomas Kohler:
Und du hast ja auch vorher noch mal erzählt, Vorzahlung. Wie funktioniert das eigentlich? Also wer zahlt eigentlich bei Krankheit und Was übernimmt der Staat? Übernimmt der überhaupt noch etwas?

Viktoria Lindner:
Unterschiedlich. Unter 30 Mitarbeiter wirst du bei kleinen Betrieben. In der Regel zahlt sofort die Krankenkasse. Da hast du als Arbeitgeber keine Lohnfortzahlungskosten zu tragen bei Mitarbeiterkrankheit. Weil in dem Moment, du bist ein kleines Unternehmen, die Krankenversicherung entlastet und du rückerstattet bekommst den Ausfall des Mitarbeiters oder Mitarbeiterinnen. Ab über 30 Mitarbeiter, und das ist ja auch das, was wir uns anschauen, zahlst du als Arbeitgeber die ersten sechs Wochen das volle Gehalt als Lohnsort. Also bis zu sechs Wochen. Ab sechs Wochen kommt eine Person dann ins sogenannte Krankengeld.

Das übernimmt dann die Krankenversicherung und ist dann aber auch nicht mehr dein volles Gehalt, sondern es ist dann 60 Prozent, glaube ich, von deinem Nettogehalt, was du noch ausgezahlt bekommst, aber eben von der Krankenkasse. Also letzten Endes, der Mitarbeiter selbst ist abgedeckt, wenn man es so möchte. Also du hast nicht so ein amerikanisches System, wo du dafür bestraft wirst, krank zu sein, weil du direkt sozusagen Einbußen im Gehalt hast. So ist es ja in den USA geregelt, wenn du nicht eine spezielle Krankenversicherung unternehmen hast. Sondern hier ist es schon so, dass jemand das für dich übernimmt. Sei es der Arbeitgeber oder eben die Krankenversicherung. Und trotzdem ist es natürlich mega kosten für diese beiden Stakeholder. Sowohl für den Arbeitgeber ist es eine super Kost, weil du in dem Moment den Lohn weiterzahlen musst für eine Person, die aber dir jetzt, sag ich mal plump gesagt, keine Produktivität mehr gibt in dem Moment.

Und du musst ja trotzdem diese Produktivität irgendwie erreichen und das kannst du nur, indem du noch eine zweite einstellst. Also hast du eigentlich doppelte Kosten in dem Moment für einen Produktivitätspunkt, sage ich mal. Genau, und das ist eben der Teil, warum auch Unternehmen sagen, es schlägt eben extrem in die Kosten rein, wenn man so hohe Krankenquoten hat.

Thomas Kohler:
Kann man jemanden eigentlich kündigen für zu viel Krankheit?

Viktoria Lindner:
Nein, und ich glaube, das ist auch gut so, weil viele Krankenquoten oder viele Krankheiten ja auch nicht bewusst gewählt sind. Da kommt man auch wieder in das Thema sogenanntes BEM-Management, betriebliches Wiedereingliederungsmanagement. Wenn du eben einen Mitarbeitenden hast, der sehr lange krank ist, kommst du durch so ein BAM-Verfahren rein, wo genau über sowas gesprochen wird. In der Regel sind die Leute, die so lange ausfallen, wirklich krank, weil sie entweder eine Krebsdiagnose zum Beispiel haben oder aber mentale wirklichen Burnout oder aber Bandscheibenvorfall und sowas ist dann eben dauert dann auch leider einfach ein bisschen. Sowas hast du innerhalb von drei Wochen wieder auskuriert. Gleichzeitig gibt es natürlich die Möglichkeit, wenn man jetzt sage ich mal den Verdacht hat, dass jemand immer wieder krank macht, sag ich mal so, also immer mal wieder der Freitag, immer mal wieder der Montag und das wirklich über einen längeren Zeitraum, kannst du tendenziell auch schon gerichtlich dagegen vorgehen. Allerdings musst du es natürlich sehr stark begründen können.

Thomas Kohler:
Siehst du Möglichkeiten durch diese ganze KI-Bewegung, Krankheitsquoten zu reduzieren?

Viktoria Lindner:
Ja, also sehen wir. Letzten Endes sehen wir sie aber nicht darin, dass jetzt einfach die geheimnisvolle KI kommt, die all deine Probleme löst. Also so funktioniert es nicht, das wäre schön. Sondern wir sehen das als Unterstützungsinstrument für Führungskräfte, Krankenquoten innerhalb ihrer Teams oder ihrer Bereiche besser zu verstehen, gezieltere Maßnahmen umzusetzen und die Effektivität dieser Maßnahmen zu messen. Das ist aus meiner Sicht das, was KI und auch Daten helfen können, Eigentlich bessere Führungskräfte und bessere Organisationen zu schaffen, die Mitarbeitende gesünder halten. Eben, wie ich es kurz erklärt hatte schon, du findest überhaupt erst mal raus, dass die überdurchschnittlich hohe Krankenquote in Zusammenhang steht mit dem schlechten Schichtsystem. Das war dir vorher vielleicht gar nicht bewusst. Und dann hast du die Möglichkeit, das Schichtsystem zu optimieren und wirst sehen, die Krankenquote wird runtergehen.

Und genau so hilft Daten und letzten Endes auch KI, die Krankenquote zu senken. Nicht, weil da irgendwas Geheimnisvolles passiert, dass alle Mitarbeiter mit einmal gesund sind, sondern es hilft dir einfach besser zu verstehen, was passiert in meiner Organisation und was korreliert mit Krankheit und Fehlzeit.

Thomas Kohler:
Und als Gründerin verkaufst du an HR oder an Finance oder an Operations, Ich glaube, du hast ja mehrere Personen das dort erwähnt. Wie kauft man denn Bloom?

Viktoria Lindner:
Ja, wir haben natürlich immer eine HR-Schnittstelle, weil es ist auch einfach weiterhin ein Personalthema, was auch richtig ist, weil es letzten Endes ja auch, wie gesagt, Mitarbeitergesundheit geht. Wir verkaufen an relativ große Unternehmen, also ab 200 Mitarbeiter in der Regel. Darunter hast du auch das Thema einfach nicht so präsent, ehrlich zu sein. Und wir haben sehr viele Stakeholder involviert. Wir haben in der Regel viel Datenschutz mit involviert und Legal Themen, weil es natürlich auch wichtig ist, da unbedingt die Privatsphäre der Mitarbeitenden zu bewahren und eben nur anonymisiert Daten auszuwerten. Wir haben Betriebsräte involviert. Wir haben aber, wie gesagt, auch wirklich den Vorstand, die Geschäftsführung, CFO, diese Themen involviert, weil das letzten Endes eben auch ein Personalcontrolling-Thema ist und Personalcontrolling hat in der Regel auch eine Finance-Komponente.

Thomas Kohler:
Wir haben vorher ja kurz nochmal über Vertrieb gesprochen. Ich war gestern auf einem Investorenevent in München, habe den Jens Bender getroffen und der ist ja auch bei euch mit investiert. Da kam die Frage auf, ob Schwierigkeiten gesehen werden in der Implementierung von HR-Tech-Lösungen. Ich habe dann ein bisschen darüber nachgedacht und ich sehe halt auch, Ich habe auch in dem Bereich einmal ein Angel-Investment gemacht und kriege immer wieder Updates und sehe auch so etwas aus dem Founders-Bearing, was manchmal so rauskommt an Fragestellungen und bekomme das so über den Markt ein bisschen mit und merke, dass sich ganz, ganz viele Gründer und Gründerinnen richtig schwer tun, diese HR Tech-Produkte zu verkaufen. Eine These von mir ist es, das Problem ist vielleicht nicht relevant genug, aber das wäre relevant genug. Und Das zweite ist, dass zum Beispiel eine Funktion wie HR oft leider nicht sehr gut im internen Fundraising ist oder intern Budget freizumachen und einfach mal Geld freizumachen, etwas approved zu bekommen, das man umsetzt. Das liegt dann vielleicht wieder beim CTO oder beim Tech-Budget, weil es ist ja dann Technologie und wenn der CTO das plötzlich sagt, dann kriegt man es durch. Welche Erfahrungswerte hast du denn gesammelt im Verkauf oder im Vertrieb oder Go-to-Market, wie du es nennen möchtest, von Bloom?

Viktoria Lindner:
Ja, also erstmal würde ich dir absolut zustimmen. Du hast es richtig formuliert und das ist ein großes Problem. HR wird häufig als Cost Center gesehen und nicht unbedingt als Revenue Center. Dementsprechend fällt es auch sehr schwer, oft das HR Budget bekommt für Dinge, die sie nicht absolut begründen können, warum sie P&L und relevant sind oder ROI liefern. Und das ist, glaube ich, auch das Wichtigste. Man muss sich selbst überdenken, mit seinem HR-Produkt ist das wirklich ein Must-Have. Löst das wirklich ein Problem vom Vorstand oder vom CFO? Und so sollte auch der Eingang sein und der Pitch und die Value Proposition, die man verkauft, weil nur dann, gerade in aktuellen Zeiten, wirst du da sozusagen reinkommen und es auch schaffen, Budgets dafür zu generieren. Ich glaube, ein zweiter großer Teil, der problematisch ist, vor allem für Upmarket-Verkäufe, also wir sind ja auch Enterprise-Fokus, wenn man so möchte, ist natürlich auch wieder so ein bisschen die existierende Landschaft schon an Systemen, die da ist.

Also du hast ja in der Regel große HR-Core-Systeme, also All-in-One-Suits, wie zum Beispiel SAP SuccessFactors, Workday, Oracle, was auch immer, die schon fundamental etabliert sind in dem Unternehmen. Und wenn du jetzt natürlich als Early-Stage-Startup da reinkommst, bist du in der Regel ja erstmal eine Point-Solution. Also du bist nicht die All-in-One-Suite, die ersetzt wird, sondern du bist ein Add-on für etwas, was schon da ist, was den Teil, der schon da ist, besser macht, sage ich mal so, weil der Teil nicht perfekt ausgereift ist innerhalb dieser Übungsung. Und da musst du natürlich ganz stark auf APIs und diese ganzen Themen achten. Also wenn du keine Schlittstellen hast und nicht irgendwie mit den Systemen konfigurierbar bist und einbindbar und Datenaustausch einfach funktioniert, wirst du auch nicht reinkommen, weil letzten Endes große HR-Abteilungen eben keine Lust haben auf Silos. Die wollen nicht noch fünf, zehn Silo-Lösungen, die überall rumfliegen, die nicht miteinander kommunizieren und die eigentlich zum Schluss kein Problem lösen. Das ist super, super wichtig, dass du eben da schaffst, wenn du da wirklich reinkommen willst, eben diese APIs, diese Schnittstellen und dieses Silo aufzubrechen von deiner Lösung. Das ist, glaube ich, auch noch mal extrem wichtig.

Ein dritter großer Teil, und das ist, glaube ich, immer bei HRTec etwas, wo du einfach sehr viel Wissen aufbauen musst, ist das Thema Compliance, Legal und Data Security. Du arbeitest letzten Endes ja mit Personaldaten. Das ist extrem hochsensibel, ja. Gerade Fehlzeitendaten, also bei uns ist es enorm, enorm hochsensibel, weil du ja auf gewisse Art und Weise die Gesundheit der Mitarbeiter, ja, sage ich mal, verstehen kannst auch. Dementsprechend ist Anonymisierung, Datenschutz, ISO, Storing, Hosting, all solche Themen super, super wichtig, da überhaupt eine Chance zu haben reinzukommen. Also das sind so paar Learnings, die ich da auf jeden Fall in den Jahren hatte.

Thomas Kohler:
Und Du hast ja vorher deine eigene Firma gegründet und eigenfinanziert gestartet, also gebootstrapped. Und jetzt hast du, glaube ich, auch Vizis oder Angels im Hintergrund oder beides. Wie unterscheidet sich das für dich jetzt als Gründerin, eine Firma eigenfinanziert zu bauen versus jetzt das auch mit Investoren zu machen?

Viktoria Lindner:
Ja, also ich glaube, eins der größten Unterschiede ist die unterschiedliche Priorisierung von Cashflow versus Growth, so nenne ich es mal. Also in einem Bootstrap-Unternehmen ist das Wichtigste, was du haben kannst, gutes Cashflow-Management und Liquiditätsmanagement. Sonst ist es schneller vorbei, als du überhaupt gucken kannst. Und das ist sowas, was ich schon in den letzten Jahren beobachtet habe, auch in den VC-gebackten Unternehmen. Da haben ganz viele noch nie in ihrem Leben eine Cashflow-Planung gemacht, weil es eben nicht sein musste. Weil es ist ja immer irgendeine 7- oder 8-stellige Zahl auf dem Konto zu sehen. Da muss man sich jetzt nicht Gedanken machen, wann geht jetzt wieder die Umsatzsteuer ab, wann kommt das runter, wann geht das rein und so weiter. Das musst du dir in der Regel nur Gedanken machen, wenn gefühlt immer eine sehr starke Fluktuation herrscht bei einem Bootstrap-Startup, ist das einfach so. Das ist ein Riesenthema.

Also ich musste mich komplett umstellen weg von Cashflow-Optimierung Liquidität-Optimierung hin zu Growth-Planung. Es geht sehr viel Wachstum und weniger eben Cashflow und das ist schon ein großes große Umstellung für mich gewesen dahin zu gehen. Natürlich hat es auch mega Vorteile, das muss ich auch sagen. Als Bootstrap-Gründer kannst du dir einfach nicht von Tag 1 an richtig gute Leute leisten. Du kannst einfach nicht direkt ein Team aufbauen, wo du Leute hast, die mitdenken, die super gut sind einfach an dem, was sie machen. Du musst jeden Scheiß selbst machen. Du bist selbst dein bester Intern eigentlich. Und das ist natürlich ein Megaluxus, den du auch bei so einem VC-gebacken Unternehmer hast, dass du wirklich die Chance bekommst von Tag 1 an mit, auch wenn es ein kleines Team ist, aber mit 5, 10 richtig guten Leuten an den Start zu gehen und dadurch natürlich auch direkt viel mehr zu bewegen. Das ist natürlich ein Megavorteil, muss man einfach sagen.

Thomas Kohler:
Ja, In Deutschland gibt es ja sogar, man munkelt, wenn man Fundraising betreibt und von gewissen Wissens Geld kriegt, gibt es die Werkstudenten von der WHU dazu. Mein Bruder ist gerade in San Francisco und hat mir kurz was erzählt. Er hat gesagt, die Dichte und die Spanne an richtig klugen Leuten, aber auch richtig dummen Leuten ist sehr hoch. Er meinte, du findest halt Personen, die wirklich sehr, sehr krasse Dinge aufbauen und wirklich weltverändernde Dinge machen, aber es gibt auch die, die sagen, ja, if you just raise enough capital, you’re EBITDA positive. Weil die halt so denken, wenn du genügend Fundraising oder Geld einsammelst, mehr als wie du verbrennst, dann bist du profitabel. Und dann denke ich mir einfach, das ist schon sehr weit weg. Das ist deine These. Und was sind jetzt noch so deine Ziele für Bloom, wenn du jetzt so in die Zukunft schaust?

Viktoria Lindner:
Ja, Ziele für Bloom sind auf jeden Fall weiter diesen Bereich auszubauen. Fehlzeiten, Abwesenheiten, Management. Ich glaube, der wächst eher nur, anstatt kleiner wird. Wir haben es ja dieses Jahr überall in den Nachrichten gesehen. Viele Unternehmen haben einfach enorme Probleme damit. Wir starten jetzt erst mal doll in der DACH-Region, Deutschland, Österreich, Schweiz. Wir wissen aber auch, dass es auch ein Riesenproblem zum Beispiel in den Niederlanden und in Frankreich ist. Also generell in europäischen Ländern, die starke Sozialsysteme haben, die natürlich auch Krankheit sozusagen unterstützen, sage ich mal finanziell auf jeden Fall.

Amerika könnten wir uns später auch vorstellen, da wird es aber glaube ich nochmal in einen etwas anderen Bereich gehen, also wo das Produkt dann wahrscheinlich auch nochmal ein bisschen anders gedacht werden muss in dem Sinne, weil du eben da nicht dieses klassische Binäre hast von, okay, mir fällt jemand komplett aus, sondern du hast da eher so eine Art Produktivität, die stärker noch mal optimiert werden kann in den Unternehmen.

Thomas Kohler:
Ja, sehr cool. Ja, danke dir, Victoria. Hat mich sehr gefreut, dich auch mal so kennenzulernen, nicht nur über die LinkedIn-Videos. Und vielleicht gibst du ja ein paar LinkedIn-Videos aus diesem Podcast.

Viktoria Lindner:
Ja, vielleicht. Hat mich auch sehr gefreut.

A Portrait of Viktoria Lindner, CEO & Co-founder of Bloom. She is guest at the 102nd episode of Thomas Kohler's The People Factor Podcast.

About the guest

Viktoria Lindner

Viktoria Lindner hat Klinische Psychologie studiert und einen Masterabschluss in Amsterdam erworben. Nach zwei Jahren in der Unternehmensberatung gründete sie 2018 ihr erstes Unternehmen, D!MPACT, und 2021 ihr zweites, Bloom. Als ambitionierte Unternehmerin und kommerzielle Mitgründerin verbindet sie fundiertes Wissen in B2B-Vertrieb und Go-to-Market-Strategien mit ihrer Leidenschaft für datenbasierte Entscheidungen.